Sommerfestspiele: Leichtfüßige Arrangements zum Abschluss im Fürstenlager / Chor mit orchestraler Wucht

Ein sanftes Finale mit "Soundsation"

Auerbach. Mit dem Chor "Soundsation" erlebten die Auerbacher Sommerfestspiele am Samstag einen sanften Ausklang der aktuellen Spielzeit. Die 35 Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Matthias Becker boten ein balanciertes Repertoire aus Swing, Jazz und leichten Popnummern, das vo Publikum mit großem Applaus belohnt wurde.

Nach dem Festspiel-Auftritt im Jahre 1999 auf dem Auerbacher Schloss war das Abschlusskonzert ein gelungenes Fürstenlager-Debüt des Chors. "Möglicherweise die Geburt eines neuen Festspielklassikers", so der künstlerische Leiter Klaus P. Becker im herbstlich kühlen Staatspark.

Überraschende Wendungen
Die Kontakte könnten enger nicht sein: Chorchef Matthias Becker ist nicht nur der Bruder des Festspielleiters, sondern mit seinem A-capella-Ensemble "VokalTotal" auch regelmäßiger Gast des Festivals. Mit Soundsation hat Becker 1980 ein Großprojekt übernommen, das sich durch seine stilistische Vielseitigkeit und leichtfüßige Gesangswucht von ähnlichen Chören unterscheidet.

Hinzu kommen die außergewöhnlich orchestralen Arrangements des künstlerischen Kopfes, die allseits bekannte Stücke mit überraschenden Wendungen und Variationen anreichern. Ein wenig theatralische Garnitur schmeckt da gar nicht schlecht: Etwa beim Klassiker "The Lady Is A Tramp", der von einem dialogischen Gesangs-Solo ins Finale "gezankt" wurde.

Interpretatorische Originalität kennzeichnete auch ein Stück der Bee Gees, das von Becker in eine märchenhafte Vokaloper verwandelt wurde: "How Deep Is Your Love" gehört seit vielen Jahren zum wohlklingenden Repertoire des Neu-Isenburger Ensembles, das bereits etliche musikalische Auszeichnungen im In- und Ausland eingeheimst hat.

Die komplexen Arrangements werden vom Chor äußerst flexibel und nicht selten improvisierend gemeistert. Matthias Becker lässt seinem Klangkörper viel Raum für spontane Nummern, ohne jemals die Kontrolle über die "Windrichtung" des Sounds aus der Hand zu geben. Die beinahe kindliche Begeisterung der Sänger überträgt sich auf das Publikum, das sich von der Chormusik gerne streicheln lässt. Eine der Perlen in Auerbach war das von Darmon Meader ("New York Voices") arrangierte "I Remember You", das mit glasklaren Stimmen und spielerisch-kreativem Vokal-Tennis überzeugte.

Auch Lionel Richies Ballade "Hello" wird vom Chor zu einem dynamischen Kleinkunstwerk aufgemotzt. Selbst kompliziert arrangierte Stücke und mehrstimmige Überlagerungen gelingen ohne erste Turbulenzen. Bestes Beispiel: die etwas krumme Textur von Milcho Levievs "Don's Song", eine Hommage an den Jazztrompeter Don Ellis, wird im Siebenvierteltakt bestens bewältigt - einer der musikalisch anspruchsvollen Höhepunkte des Konzerts, das im zweiten Teil noch besser wurde.

Fast ein Vokalepos für Chöre
Beinahe ein Vokalepos für Chöre ist "Adiemus" von Karl Jenkins, einem walisischen Komponisten, der vor allem durch Werbemelodien bekannt geworden ist. Das ethnisch angehauchte und in einer von Jenkins entworfenen Kunstsprache gesungene Lied passt hervorragend ins Repertoire des Chors, dessen (phil)harmonische Natur hier nicht zu überhören ist.

Unter zwei Zugaben wurde Soundsation nicht in die Garderobe entlassen. Bobby McFerrins afrikanisch gefärbtes "The Garden" wurde von Leonard Cohens fast liturgisch anklingenden "Hallelujah" in einem Arrangement des dänischen Chorleiters Jens Johansen gefolgt.

Vielleicht in der Tat die Premiere eines neuen Festspiel-Klassikers. Dem Premierenpublikum im Fürstenlager dürfte dies nicht unrecht sein. tr

Bergsträßer Anzeiger
25. August 2008